Debatte über „Borkenkäfer-Novelle“

Per Verordnung soll die Industrie zum Ankauf von heimischem Schadholz gezwungen werden.

Novelle zum Forstgesetz

Nur eine „kleine“ Novelle zum Forstgesetz: So bezeichnete das Landwirtschaftsministerium den Gesetzestext, den es im Mai in Begutachtung schickte. Doch ein Punkt in den Änderungsplänen ist zumindest bemerkenswert. „Ist in Zeiten einer gefahrdrohenden Massenvermehrung von Forstschädlingen die Sicherung der nachhaltigen Waldbewirtschaftung einer bestimmten Region gefährdet“, sollen holzverarbeitende Betriebe per Verordnung zur Abnahme „von Schadholz aus dieser Region“ verpflichtet werden. Mit anderen Worten: Der Staat kann in bestimmten Fällen Papier- oder Sägewerken vorschreiben, woher sie – zumindest Teile – ihres Rohstoffs beziehen.

Denn Österreichs Waldbesitzer haben ein Problem, es ist wenige Millimeter groß, braun-schwarz gefärbt, hat sechs Beine und großen Hunger: Seit Jahren macht der Borkenkäfer der heimischen Forstwirtschaft zu schaffen. Vor allem in Fichtenwäldern breitet sich der Schädling in manchen Gegenden explosionsartig aus. Der einzige Weg, die Ausbreitung einzudämmen, ist, befallene Bäume so schnell wie möglich aus dem Wald zu schaffen.

Laut der Holzeinschlagsmeldung des Landwirtschaftsministeriums gingen allein im vergangenen Jahr über vier Millionen Festmeter an Schadholz auf das Konto des Borkenkäfers. Das ist mehr als ein Viertel der gesamten Schadholzmenge. Die stieg wiederum von 2018 bis 2019 um fast zwei Millionen auf über 11,7 Millionen Festmeter an. Erstmals seit dem Sturmjahr 2008 machte damit Schadholz mehr als die Hälfte des in Österreich geschlägerten Holzes aus. Im vergangenen Jahr war der starke Zuwachs laut Ministeriumsbericht allerdings nicht Sturmschäden, sondern vor allem „sonstigen abiotischen“ Schäden geschuldet. Dazu zählen eine übermäßige Schneelast ebenso wie Dürreschäden.

Im Notfall auch Industrie verpflichten

Wie die „Wiener Zeitung“ am Dienstag berichtete, hatten die großen Mengen an Schadholz nicht nur einen Verfall des Holzpreises zur Folge. Teilweise hätten Sägewerke in der Vergangenheit das Holz gar nicht mehr übernommen oder es habe lange gedauert, bis es abgeholt und verarbeitet wurde. Erschwerend für die heimische Forstwirtschaft kommt hinzu, dass vor allem aus Tschechien günstiges Fichtenholz auf den Markt kommt. Denn auch dort kämpfen die Forstbetriebe mit dem Borkenkäfer.

„Nachdem wir durchaus sehr beschränkt sind, was dann auch die Abnahme betrifft, macht es Sinn, auch darüber nachzudenken, im Extremfall, im Notfall, auch die Industrie zu verpflichten, hier eine gewisse Menge an Schadholz abzunehmen“, sagte dazu Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger am Montag in der „Zeit im Bild“.

Ablehnung von WKÖ und ÖGB

Dass die Industrie selbst von solchen Ideen wenig begeistert ist, mag kaum überraschen. Die Kritik kam dabei auch aus Köstingers eigenen Parteireihen. Der Entwurf sei „marktfern“ und stoße in der Wirtschaft auf „völliges Unverständnis“, ließ WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf (ÖVP) Dienstagnachmittag per Aussendung ausrichten.

Laut Kopf verletzen die in der Novelle vorgesehenen Abnahmeverpflichtungen für die holzverarbeitenden Betriebe diese in ihren Grundrechten der Erwerbsfreiheit, der Eigentumsfreiheit und des Gleichheitsgrundsatzes. Er verwies darauf, dass die Holzindustrie bereits im Mai eine Mehrabnahme von 200.000 Festmetern Schadholz zugesagt habe. Bisher wurde diese laut dem WKÖ-Generalsekretär nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft.

Kritik aus der Industrie hatte bereits zuvor auch die Arbeitnehmerseite formuliert. Der vorgelegte Entwurf gebe keinerlei Rechtfertigung, „warum kein gelinderes Mittel als der vorgesehene massive gesetzliche Eingriff gesucht werde“, schreibt der Gewerkschaftsbund (ÖGB) in seiner Stellungnahme zu der Novelle.

Die Gewerkschaft stößt sich unter anderem auch daran, dass laut dem Gesetzesentwurf die Region, aus der Betriebe Schadholz ankaufen müssen, „auch Gebiete angrenzender Staaten umfassen kann“. Es sei „nicht ersichtlich, warum Schadholz aus dem benachbarten Ausland verpflichtend von holzverarbeitenden Betrieben (einer bestimmten Region) zu übernehmen ist“, heißt es in der Stellungnahme.

Europarechtliche Fragen

Die grenzüberschreitende Perspektive hat dabei wohl unionsrechtliche Gründe. Die Beschränkung des freien Warenverkehrs ist innerhalb der EU eine heikle Angelegenheit. Darauf machte auch der Jurist Christian Schneider in einer Stellungnahme zu dem Entwurf aufmerksam. Sollte es bei der Maßnahme in erster Linie darum gehen, heimische Forstwirtschaft vor einem Preisverfall bei Schadholz zu schützen, dürfte es sich um „eine unzulässige Beschränkung des freien Warenverkehrs“ handeln, schreibt Schneider. Der Jurist hat überdies ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken.

Man habe „Europarechts- und Verfassungsexperten intensiv in den Entwurf eingebunden“, hieß es vom Ministerium gegenüber ORF.at. Der vorliegende Entwurf sei jedenfalls „aus Sicht des Ressorts EU-rechtskonform und muss nicht notifiziert werden“. Das Ministerium argumentiert das in der Folgenabschätzung zu der Novelle auch damit, dass sich aus „der Verordnungsermächtigung selbst“ noch „keine Rechten und Pflichten“ ergeben. Somit werde auch „Unionsrecht noch nicht unmittelbar berührt“.

Gesetzestext spart mit Details

Entsprechend vage ist denn auch die Verordnungsermächtigung formuliert – ein Punkt, der freilich in der Begutachtung auch auf Kritik stieß. So lobt etwa der Österreichische Forstverein in seiner Stellungnahme zwar grundsätzlich die Intention der Novelle, allerdings wünscht sich auch der Dachverband der Landesforstvereine eine genauere Definition, „mit welchen Radius die ‚Region‘ um den holzverarbeitenden Betrieb definiert wird oder was unter zeitlich begrenzter Abnahmeverpflichtung zu verstehen ist“.

Überhaupt nur eine „reine ÖVP-PR-Show“ ortete in einer Aussendung FPÖ-Landwirtschaftssprecher Reinhard Teufel. „Wenn man sich die nichtssagenden Floskeln von Köstinger ansieht, dann weiß man sofort, dass die Waldbauern auch in Zukunft auf ihrem Schadholz sitzen bleiben werden“, so Teufel, der einen sofortigen Importstopp für Billigholz aus dem Osten forderte.

Umweltdachverband „enttäuscht“

Inhaltlich ganz anders fiel hingegen die Kritik des Umweltdachverbands aus. In dem „enttäuschenden“ Gesetzesentwurf werde „nur Kleinholz geraspelt“, so der Vorwurf. Die überparteiliche Plattform aus Umwelt- und Naturschutzorganisationen sowie alpinen Vereinen vermisst etwa die Neuregelung der Haftung von Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern. Da diese auch für den Zustand des Waldes rund um Wege und Straßen haften, würden vorsorglich alte und schützenswerte Bäume entlang von Wanderwegen gefällt. „Hier gilt es, neben Änderungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) und im Wasserrecht auch zukunftsfähige Lösungen im Forstgesetz zu verankern“, so der Präsident des Dachverbands, Franz Maier.

Die Organisation plädiert auch für eine Umsetzung der Aarhus-Konvention im Forstgesetz. Diese regelt die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Am Dienstag kündigte der Umweltdachverband an, „seine Stellungnahme zu diesem enttäuschenden Entwurf fristgerecht abzugeben“.

Ministerium: Ende von Begutachtungsfrist abwarten

Bis Mittwochabend führte die Parlamentsseite sechs Stellungnahmen von Organisationen und Personen an. Inwieweit die dort vorgebrachten Bedenken und Vorschläge noch Eingang in die Novelle finden, ließ das Ministerium offen: „Derzeit ist der Entwurf in Begutachtung, Stellungnahmen sind noch möglich.

Ob es Änderungen gibt, kann erst nach Ablauf der Begutachtungsfrist beantwortet werden.“ Auch zu einem möglichen Zeitplan wollte sich das Ministerium auf Nachfrage von ORF.at nicht äußern. „Wir wünschen uns ein möglichst rasches Inkrafttreten der Novelle“, hieß es knapp.

Nur Symptombekämpfung

Maßnahmen, wie sie die Novelle vorsieht, sind dabei immer nur Symptombekämpfung. Gegen die Ursachen richten sie nichts aus. Dass der Borkenkäfer Forstbetriebe in Österreich seit Jahren zur Verzweiflung treibt, ist auch dem menschgemachten Klimawandel geschuldet. Denn die am stärksten von dem Schädling betroffene Fichte mag es verhältnismäßig kühl. Steigende Temperaturen verbunden mit längeren Phasen der Trockenheit machen dem als „Brotbaum der Forstwirtschaft“ bekannten Nadelholz zu schaffen. Geschwächte Bäume wiederum bieten dem Borkenkäfer ein ideales Einfallstor. Milde Winter tun ihr Übriges, um die Vermehrung des Schädlings zu beschleunigen.

Heimische Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer sind deshalb gewzungen, nach Alternativen zu dem Nadelbaum zu suchen. „Vor allem Tannen und Lärchen, als Alternative zur Fichte, aber auch Eichen in niederen Lagen werden stärker in unsere Wälder zurückkehren“, hieß es dazu erst vor wenigen Tagen von den Österreichischen Bundesforsten. Noch ist die Fichte hierzulande aber die mit Abstand weitestverbreitete Baumart und wird das noch für Jahre bleiben. Und mit ihr bleibt wohl auch der Borkenkäfer – und die Schadholzproblematik.

Quelle:

https://orf.at/stories/3168133/